Wer möchte nicht entschlossen, humorvoll und schlagfertig sein – und natürlich fehlerfrei? In diesem Blogbeitrag geht es um das Thema Fehlerkultur und die Kunst des heiteren Scheiterns, wie es im Improvisationstheater heißt.
Die Kunst des Scheiterns
Eine Grundhaltung des Improvisationstheaters nennt sich „Fail Forward“, was bedeutet, dass das Scheitern Teil des Prozesses ist, denn mit dem Scheitern geht es weiter. Auf der Bühne ist es wichtig, Fehler zu akzeptieren und zuzulassen, da sie oft zu interessanten, schönen und unerwarteten Entwicklungen führen.
Vor einiger Zeit erlebte ich bei einer Aufführung, wie eine Improspielerin sprachlich ins Stolpern geriet: Sie spielte eine Therapeutin und wollte schlagfertig reagieren, als ihr Spielpartner, der Patient, sie nach einer Diagnose fragte. Doch ihr fiel merklich nichts ein, und so antwortete sie „phu, äh, ja, schwiiiiieeerig…“.
Anstatt sich zu ärgern oder verunsichert weiterzuspielen, baute sie diesen „Fehler“ in ihre Figur ein. Ab diesem Zeitpunkt verkörperte sie eine Therapeutin, die auf Fragen des Patienten immer zuallererst mit „phu, äh, ja, schwiiiieeerig…“ antwortete. So entstand eine Figur, die ihren Job zwar liebte, aber sehr schlecht in ihm war. Das machte sie zu einem liebenswerten, lustigen und spannenden Charakter.
Abseits der Bühne ist es nicht immer möglich, Fehler zu überspielen und zu verwandeln. Deshalb kommt es darauf an, was wir mit ihnen anstellen, wenn sie einfach und unkontrolliert passieren.
Eine, die auszog, um aus dem Scheitern zu lernen
Bis vor kurzem war ich der Meinung, ich könne gut freihändig Fahrrad fahren. Und so fuhr ich, freihändig und Podcast hörend, durch die Gegend. Als eine Stelle im Podcast mich langweilte, zückte ich mein Handy, um vorzuspulen. Ab dann war ich nicht mehr so lässig unterwegs wie bisher. Denn die Straße war uneben, mein Lenker neigte sich leicht nach rechts, und ich berührte im Fahren den Seitenspiegel eines parkenden Autos. Ich geriet ins Schwanken und fiel zu Boden. Mit dem Handy in der Hand, aufgeschürften Knöcheln und ein paar Kratzern lief der Podcast an der langweiligen Stelle weiter.
Was lerne ich daraus? Ich höre seitdem keine langweiligen Podcasts mehr beim freihändigen Fahrradfahren. 😉
Mir ist klar, dass diese Aktion vermeidbar gewesen wäre. Ich wollte zu viel gleichzeitig – und dennoch: Ich hatte Glück und bin seitdem achtsamer unterwegs. Zudem erinnert mich dieser Vorfall daran, nicht alles gleichzeitig ändern zu wollen, wenn mich etwas stört. Sondern hin und wieder an- und innezuhalten, bevor ich in Aktion trete. Manchmal helfen Fehler also auch, um die eigenen Grenzen auszuloten und sich selbst besser kennenzulernen: so gut kann ich wohl doch nicht freihändig fahren.
Fazit
Der Grundsatz „Fail Forward“ erinnert mich daran, Fehler als Chance für Wachstum und Entwicklung zu sehen, die Möglichkeit des Scheiterns anzuerkennen und mich nicht von der Angst davor einschränken zu lassen. Fehler sind nicht das Ende, sondern oft der Anfang von etwas Neuem und Unerwartetem. Indem wir sie akzeptieren und daraus lernen, können wir wachsen und uns weiterentwickeln. Und manchmal entstehen daraus die besten Geschichten – ob auf der Bühne oder im echten Leben.